Kampfadler contra Warzenschwein
oder
Feder gegen Borste

von Uwe Walz

 

"Ist das eine Hitze !!". Wir sitzen im Toyota Landcruiser mitten in der Savanne von der Masai Mara in Kenia und die Sonne brennt heiß und erbarmungslos durch das offene Klappdach. Fast schon den ganzen Vormittag verharren wir erwartungsvoll im Geländewagen. Der vor uns auf einem Baum liegende Leopard bequemt sich aber nicht, aus seinem Dämmerschlaf aufzuwachen und auf Jagd zu gehen. Er macht überhaupt keine Anstalten, den einzigen schattigen Platz zu verlassen.

Ausgerechnet jetzt bittet uns der Fahrer, Fenster und Dach zu schließen. Ein Schwarm Zsezsefliegen nähert sich dem Fahrzeug. Diese blutsaugenden, krankheits- übertragenden Insekten sind sehr gefährlich. Selbst unser afrikanischer Fahrer fürchtet sich vor ihnen und nimmt jede Gelegenheit war, eindringende Fliegen mit einem sehr übel riechenden Kampfgas zu besprühen. Langsam entsteht in unserem Fahrzeug der sogenannte Treibhauseffekt. Die Temperaturen klettern auf weit über sechzig Grad. Nach einer Weile halten wir es vor Hitze nicht mehr aus und geben ein Zeichen zur Weiterfahrt. Gegen Abend werden wir noch einmal einen Versuch starten, den Leoparden bei der Jagd nach Beute mit der Kamera zu erwischen.

Nun wollen wir noch einmal zu den Löwen schauen. Ein uns bekanntes Rudel mit drei kleinen Löwenbabys hält sich ganz in der Nähe auf. Einen großen Teil des Tages verbringen die Löwenkinder mit herumtoben und spielen. Hier bietet sich immer wieder eine Möglichkeit, spielende Löwenbabys auf den Film zu bannen.

Doch plötzlich sehe ich einen mächtigen Greifvogel auf einer Akazie sitzen. Schnell gebe ich ein Zeichen, den Landcruiser zu stoppen. Es ist ein Raubadler; er ist neben dem Kampfadler und dem Kronenadler der drittgrößte Greifvogel in Afrika.

Merkwürdigerweise hält er die viel zu kurze Distanz zu dem haltenden Fahrzeug ein. Durch die bereits schon während der Fahrt geöffnete Dachluke schieße ich schnell mit dem Teleobjektiv ein paar Aufnahmen . Nach einem Filmwechsel sehe ich in wenigen Metern Abstand einen zweiten Adler auf einem kleinen Erdhügel stehen. Die Distanz dieses Adlers zu unserem Geländewagen ist noch kürzer als die des Raubadlers. Nur sieht man einen Greifvogel auf einer Akazie eher als auf einem Erdhügel. Ich erkenne sofort, daß es sich hier um einen Kampfadler handelt. Das ist Fotografenglück! Nun kann ich auch hier einige großformatige Porträtaufnahmen machen. Beim fotografieren merke ich, daß der Adler immer nur in eine Richtung blickt und sich durch unsere Anwesenheit überhaupt nicht stören läßt. Wir wollen noch eine Weile warten, um eventuell den Abflug des Vogels zu fotografieren. In diesem Moment ändert sich schlagartig die Situation!

s06ba01.jpg (22794 Byte)Ein Warzenschwein mit zwei kleinen Jungen nähert sich dem Adler. Langsam kommt es näher und näher. Von hinten kommend, macht es einen Bogen um unser Auto und geht einige Meter direkt auf den Adler zu. Dieser sträubt seine Federn und breitet seine mächtigen Flügel zu einer Drohgebärde aus. Schnell ergreife ich diese Gelegenheit, einige Aufnahmen zu schießen. Etwa zwei Meter vor dem Adler ändert das Warzenschwein plötzlich die Richtung und läuft mit seinen beiden Jungen an unserem Fahrzeug vorbei.

Ich bin gerade dabei, einen neuen Film in die Kamera einzulegen und bemerke noch rechtzeitig, wie das Warzenschwein erneut einen Angriff auf den Adler unternimmt. Nun läuft es geradewegs auf den großen, mächtigen Vogel zu.

s06ba02.jpg (22612 Byte)Abermals öffnen sich die mächtigen Schwingen, sogar das Fauchen des Adlers ist zu hören. Das Warzen-schwein läßt sich dadurch aber nicht einschüchtern. Immer näher geht es auf den Adler zu. Nach meiner Einschätzung muß es jeden Moment zu einer Auseinandersetzung kommen. Hoffentlich reicht das Filmmaterial noch aus! Schweißtropfen rinnen von meiner Stirn und tropfen auf die Kamera. Mein Puls schlägt höher. Was wird passieren? Nun stehen sie sich direkt gegenüber. Mit den mächtigen Stoßzähnen versucht das Warzenschwein, den Adler zu treffen. Wie ein Blitz schnellen die Ständer des Adlers hoch und versetzten dem Schwein mit den messerscharfen Krallen einen Schlag auf die empfindliche Nase.

s06ba03.jpg (22563 Byte)

Gleich im Anschluß wiederholt sich noch einmal dieser Schlagabtausch. An der empfindlichen Nase verletzt, tritt das Warzenschwein daraufhin den Rückzug an. In diesem Augenblick habe ich genau das letzte Bild belichtet. Der Film ist voll. Mein Herz klopft mächtig und der Schweiß rinnt mir nur so über mein Gesicht. War das ein Erlebnis! Kann es denn so etwas überhaupt geben? Fragen tauchen auf. Warum hatte das Warzenschwein den stattlichen Adler angegriffen? Und warum ist der Adler bei unserer Annäherung nicht gleich abgeflogen?

Ich bitte den Fahrer, daß er langsam einmal um den Erdhügel fahren möchte. Mir kommt der Gedanke, daß der Kampfadler unter seinen Ständern im hohen Gras der Savanne irgendeine Beute haben muß. Und wirklich, von der Rückseite sehe ich, wie der Adler auf einem, von ihm geschlagenen jungen Warzenschwein steht. Nun wird mir auch das einzigartige Verhalten des Warzenschweins bewußt. Einige Minuten vor unserem Eintreffen hatte der Kampfadler vermutlich eines von den drei jungen Schweinen geschlagen und war mit der Beute zu diesem Erdhügel geflogen. Dieses hatte sicherlich auch der Raubadler in der Baumkrone beobachtet. Wollte dieser vielleicht dem Kampfadler die geschlagene Beute streitig machen? Deshalb haben beide Vögel auch unseren heranfahrenden Landcruiser überhaupt nicht beachtet.

Für mich war das eine einmalige Situation. Konnte ich doch Porträtaufnahmen von Raub - und Kampfadler machen. Und als absoluten Höhepunkt meiner 14- tätigen Keniareise habe ich noch einen Kampf zwischen einem Adler und einem Warzen-schwein fotografisch dokumentieren können.

Seitenanfang