Nie wieder "ohne IS"

UWE WALZ Das neue Canon Flaggschiff unter den "weißen Riesen",
das EF 4,0/600mm L IS USM vier Wochen im Dauertest in Kanada

Gerade noch rechtzeitig, Anfang Oktober 99 hatte ich das große Glück, eines der ersten 600mm Objektive mit dem neuen Bildstabilisator geliefert zu bekommen. Vierzehn Tage später flog ich mit einem Kollegen für viereinhalb Wochen nach Kanada. Die ersten vierzehn Tage in den Riding Mountain Nationalpark mit Schwerpunkt Biber, Elch und Waldbison. Die letzten vierzehn Tage dann nach Churchill zu den Eisbären, wenn möglich auch hier noch Schneehase, Schneehuhn und Rotfuchs ablichten zu können. Leicht ist es, wenn man vor der Reise alles fast 100 prozentig planen kann, bis auf das Wetter natürlich und das spielte leider in den ersten Tagen gar nicht so gut mit.

Elch : Moose : (Alces alces)
Elch : Moose : (Alces alces)
Canon EOS-3, EF 4,0/600mm IS USM, Stativ,
Fujichrome Sensia 100, Bl. 4,0 und 1/30 sek.

Gleich am ersten Tag lief uns morgens bei völlig bedeckten Himmel ein Schwarzbär vor das Auto. Das Licht war so schwach, dass sich auch der Einsatz eines Objektivs mit Stabilisator nicht lohnte. Aber am Nachmittag wurde es ein wenig heller und wir konnten direkt von der Straße aus einige schöne Porträts von einem Elch machen. Hier setzte ich zuerst das brandneue 600mm Objektiv in Verbindung mit der EOS-3 ein. Dabei konnte ich mich dem Bullen bis auf ca. zehn Meter nähern und wechselte nun auf das EF 100-400mm L IS USM. Es macht schon großen Spaß und man ist auf der sicheren Seite, wenn man mit Stabilisator aus freier Hand und 400mm Brennweite bei 1/40 sek. Porträts machen kann (siehe Foto).

Beaver : Biber
Biber : Beaver : (Castor fiber)
Canon EOS-3, EF 4,0/600mm IS USM, + 1,4 fach
Konverter, Autoscheibenstativ,
Fujichrome Sensia 100, Bl. 4,0 und 1/30 sek

Von der Straße aus sahen wir im Riding Mountain NP gut zwanzig Biberburgen. Wir brauchten aber einige Tage um eine Burg zu finden, wo der Biber auch noch bei Tageslicht einigermaßen aktiv war. Leider war der Bau gut 25 Meter vom Ufer entfernt und unser Geländewagen musste das Tarnzelt ersetzen. Hier zeigte sich das 600mm Objektiv mit Stabilisator unschlagbar. Bei Anbruch der Dämmerung und im allerersten schwachen Sonnenlicht habe ich knackscharfe Aufnahmen von mit Zweigen im Maul schwimmenden Biber machen können. Das Schwenken und nachziehen vom Autoscheibenstativ mit 1,4 fachen Konverter gleich 840mm und mit Belichtungszeiten zwischen 1/30 und 1/60 sek. mit eingeschalteten Stabilisator brachten mir viele scharfe Bilder. Auch der Autofocus funktioniert mit angesetzten Konverter hervorragend. Alle Aufnahmen machte ich mit der Betriebsart 2 des Stabilisators, mit dieser wird ein Zittern des Sucherbildes unterdrückt, so das sich der schwimmende Biber ohne Schwierigkeiten verfolgen läßt. Mein Kollege mit dem "alten" EF 4,5 /500mm L hatte bei solchen Situationen wirklich schlechte Karten. Insgesamt konnte ich Einhundertsechzig scharfe Biberbilder archivieren, der Kollege nur zehn Prozent davon! Gerade wenn zwei Fotografen aus einem Auto fotografieren ist es immer wieder ein Problem das Fahrzeug ruhig zu halten. Die geringste Bewegung, Film- oder Objektivwechsel können schon bei diesen Belichtungszeiten zu unscharfen Bildern führen. Ein weiterer großer Vorteil des Stabilisator.

Muskrat : Bisamratte
Bisamratte : Muskrat : (Ondatra zibethicus)
Canon EOS-3, EF 4,0/600mm IS USM, + 1,4 fach
Konverter, Autoscheibenstativ,
Fujichrome Sensia 100, Bl. 5,6 und 1/60 sek.

Ein paar Tage später fast die gleiche Situation. Wir konnten an einem Wassergraben vom parkenden Auto aus eine lange Zeit eine Bisamratte fotografieren (siehe Foto). Mit dem 600mm Objektiv plus 1,4 fach Konverter, mit 840mm bekam ich die Bisamratte gut ins Format. Mein Kollege hatte einige Probleme. Mit 500mm war der Abbildungsmaßstab zu klein und mit 1,4 fach Konverter bei 700mm Brennweite waren die Belichtungszeiten so lang, dass er nur ganz wenige Aufnahmen scharf bekommen hat, obwohl bei diesem Motiv die Bisamratte völlig ruhig auf einem Platz ausharrte.

Auf einen Parkplatz fotografierte ich aus dem Auto einen Kiefernhäher. Zuerst mit 840mm, kurze Zeit später mit 600mm mit Stabilisator. Dann merkte ich, das der Vogel gar nicht so scheu war und näherte mich mit dem 100-400mm L IS USM. Er ließ mich letztendlich auf einem Meter an ihn herankommen. So konnte ich auch noch einige Porträts vom Kiefernhäher machen.

Nach vierzehn Tagen flogen wir von Winnipeg nach Churchill. Auf dem Flughafen trafen wir wie vorher abgesprochen meinen Kollegen Konrad Wothe. Das Wetter war auch in Churchill in den ersten Tagen sehr durchwachsen, überwiegend stark bedeckt und fast kein Schnee. In der ersten Woche wollten wir die Straßen und Wege in und um Churchill mit zwei Mietwagen abfahren um nach Rotfuchs, Schneehase und Schneehuhn zu suchen. Um noch schneller und flexibler aus beiden Seitenfenstern zu fotografieren mussten wir unsere mitgebrachten leeren Bohnensäcke füllen. Wir besuchten zu dritt den Supermarkt und kauften so viel Bohnen bis nicht eine Tüte mehr im Regal war. Anschließend nahmen wir noch einige Kilo Reis mit in den Einkaufswagen. Die Verkäuferin an der Kasse war völlig sprachlos und schüttelte nur noch den Kopf.

Sichernder Rotfuchs : Redfox : Vulpes vulpes)
Schlafender Rotfuchs : Red Fox, sleeping
(Vulpes vulpes)
Canon EOS-3, EF 4,0/600mm IS USM, Stativ,
Fujichrome Sensia 100, Bl. 4,0 und 1/30 sek.

Am zweiten Tag konnte ich bei bedeckten Himmel einen schlafenden Rotfuchs zuerst aus dem Auto und dann vom Stativ mit dem 600mm L IS USM bei Blende 4,0 und 1/30 sek. fotografieren. In den nächsten Tagen begegnete er uns immer wieder, leider fehlte die Sonne und ich war froh mit 600mm mit Stabilisator vom Scheibenstativ wenigstens einige brauchbare Bilder zu machen. Dabei hatte ich Verschlusszeiten bis zu 1/20 sek. Ohne Stabilisator fast undenkbar. Eine großartige Hilfe sind auch die vier griffgünstig gelegenen AF Stoptasten am vorderen Ring des Objektives. In Verbindung mit der Custom Funktion 19 (CF19) bei der EOS-3 gestatten sie eine blitzschnelle Umschaltung von One Shot auf AI Servo, oder auch umgekehrt. Meine Kollege mit dem "alten" 4,5/500mm L hatte in diesen Situationen überhaupt keine Chance.

 

Moorschneehuhn : Willow Grouse
Moorschneehuhn : Willow Grouse
Willow Ptarmigan : (Lagopus lagopus)
Canon EOS-3, EF 4,0/600mm IS USM,
Autoscheibenstativ,
Fujichrome Sensia 100, Bl. 5,6 und 1/30 sek.

Auch bei den Schneehühnern die ich aus dem Auto aus fotografierte half mir der Stabilisator sehr. In dieser Situation bemerkte ich auch das der Autofocus gerade bei kontrastlosen Motiven besser packt und auch deutlich schneller ist, als bei dem Vorgängermodell. Es war ein großes Volk und ich musste ziemlich stark abblenden um eine große Schärfentiefe zu erreichen. Letztendlich war ich auch hier wieder bei 1/60 sek. bei Blende 11 angekommen.

Nach einigen Tagen zeigte sich die Sonne und wir fanden bei bestem Licht zwei wunderschöne Schneehasen. Aus sicherer Entfernung setzte ich wieder das 600mm Objektiv ein. Ich pirschte langsam so weit an den Hasen heran, bis ich das 100-400mm IS USM Objektiv einsetzten konnte. Auf dem Bauch liegend und wieder aus freier Hand mit Stabilisator konnte ich einige schöne Aufnahmen, teilweise auch im Gegenlicht machen.

Um die Eisbären in der Tundra zu fotografieren hatten wir für die zweite Woche fünf Tage einen Tundra Buggy mit Fahrer gemietet. Da die Kosten für so ein Spezialfahrzeug sehr teuer sind (Tagesmietpreis ca. 800 kanadische Dollar) teilten wir uns die Kosten und nahmen noch einen Kameramann mit. Zu fünft (mit Fahrer) im Buggy traten auch hier wieder einige Probleme auf. Nie stand das Fahrzeug einmal richtig ruhig. Irgendeiner machte gerade Film -oder Objektivwechsel, veränderte seine Sitzposition, oder suchte im Rucksack nach diversen Zubehör. Konrad Wothe und ich hatten hier wieder den Joker- den Stabilisator.

Konrad hatte das 4,0/500mm L IS USM, das 2,8/300mm L IS USM und das 4,5-5,6/100-400mm L IS USM Objektiv im Einsatz. Mehrmals am Tag beglückwünschten wir uns zu diesen tollen Objektiven. Wir setzten die Stabilisator Objektive auch schon einmal ein, wenn der Buggy gerade erst zum Stehen gekommen war und der Motor noch lief, um schnell eine tolle Situation zu fotografieren. Wir waren der Ansicht, das der Stabilisator wider erwarten wenig Strom verbrauchte, deshalb verglichen wir ihn scherzhaft mit dem Summen eines Dynamos der ja normalerweise Strom erzeugt.

In den gut vier Wochen habe ich den Stabilisator bei dem 600mm Objektiv nicht einmal ausgeschaltet. Der Stromverbrauch ist meiner Meinung nach gering. Ein Beispiel: Ich habe abwechselnd drei Tage mit drei Objektiven gearbeitet. Mit dem 600mm L IS USM , dem 100-400mm L IS USM und dem "alten" 2,8/300mm Objektiv, pro Tag ca. 20-25 Filme bei durchschnittlich fünf bis zehn Grad Minus belichtet mit drei EOS-3 Bodys, angesetzten Booster und den Canon Akkus. Erst nach drei Tagen waren die Akkus leer. Mit anderen Worten; ich habe mit einem voll geladenen Akku 20-25 Filme belichtet. Das ist ein sehr gutes Ergebnis. Als Vorteile gegenüber dem Vorgängermodell sind zu nennen: Wetterfeste Abdichtungen aller Schalter und Knöpfe am Objektiv. Eine verbesserte, leichte Sonnenblende aus Carbon und eine Gewichtsersparnis von gut 800 Gramm. Für Fotografen die sehr oft Kleinvögel fotografieren ist auch die neue Naheinstellgrenze von 5.5 Meter sicherlich sehr interessant. Die Linsen des Objektivs sind völlig neu gerechnet und garantieren eine absolute Spitzenleistung! Auch der Preis hat eine Spitzenleistung von ca. 22.000 DM.

Nun fehlt mir nur noch das 2,8/300mm L IS USM in meinem Equipment und dann kann ich sagen

nie wieder ohne !

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